Kulinarische Horizonterweiterung
Lauren Wildbolz

«Die Plant-based-Küche ist mehr als ein Trend»
Lauren Wildbolz, werden wir uns irgendwann alle ausschliesslich vegan ernähren?
Es gibt durchaus Studien, die voraussagen, dass wir in den nächsten fünf bis zehn Jahren 50 Prozent unseres tierischen Lebensmittelkonsums einschränken werden. Die Vorteile veganer Ernährung bezüglich Tierethik und Ökologie liegen auf der Hand, die müssen wir auch gar nicht diskutieren. Plant-based-Produkte sind gegenüber tierischen Produkten aber oft auch im Vorteil, was drohende Verunreinigungen, die Haltbarkeit oder Gewinnmargen anbelangt, was sie für die Lebensmittelindustrie besonders spannend macht. Das verstärkt den Boom zusätz-lich. Andere Länder wie Grossbritannien oder die USA, wo es tausende Start-up-Unternehmen rund um Plant-based-Produkte gibt, sind uns hier weit voraus. Da gibt es in der Schweiz noch viel Luft nach oben.
Geht uns dann als Milch- und Käseland nicht auch ein Teil unserer Kultur verloren?
Die Traditionen entwickeln sich vielmehr weiter, sie werden modernisiert. Aus Kernen und Samen beispielsweise lassen sich extrem gute vegane Käse herstellen. Auch mit altem Wis-sen aus den Käsereien, das man modern weiterentwickelt. Kommt hinzu, dass man sich viel-leicht sogar verstärkt zurückbesinnt auf Traditionen wie etwa den Sonntagsbraten. Diesen dann aber bewusster isst. Und unter der Woche stattdessen öfters einmal ein veganes Ge-richt wählt. Auch ohne dass man es merkt.
Wieso tut sich die Gastronomie teilweise so schwer mit der veganen Ernährung?
Das frage ich mich auch oft. Weil eigentlich ist es gar nicht so kompliziert. Ich finde es in der Küche viel komplizierter, mit Allergien umzugehen. Oft geht es in meinen praktischen Bera-tungen einfach darum, den Knopf zu lösen. Es gibt aber auch viele Köche, die sich motiviert mit der pflanzenbasierten Thematik beschäftigen.
Was ist denn ein guter Einstieg?
Es ist wichtig, dass man authentisch bleibt, mit einem veganen Angebot, das zum Restau-rantkonzept passt. Das ist gar nicht so schwierig. Am besten, man veganisiert einfach einmal ein bestehendes Rezept, ersetzt die tierischen Produkte durch pflanzliche. Entscheidend da-bei ist, dass man gute vegane Produkte verwendet. Da helfen Tastings, die Erfahrungen an-derer. Und das ist auch elementarer Teil meiner Gastroberatungen: Aufzuzeigen, welche ve-ganen Rohstoffe sich am besten für was eignen.
Was sind typische Stolpersteine?
Das Backen kann eine besondere Herausforderung sein. Lange war es zum Beispiel schwie-rig, geschäumtes Eiweiss zu ersetzen, weil die Aquafaba-Technik zu wenig bekannt war. Mit der Verbreitung von eingekochtem und dann aufgeschäumtem Kichererbsen- oder anderem Bohnenwasser hat sich dieses Problem aber auch gelöst. Und ein Fehler, den viele machen, ist, dass sie vegane Küche immer mit einer lieblichen, gesunden Küche gleichstellen und dadurch zu mild, zu süsslich kochen. Vegane Küche kann und darf aber auch währschaft und rassig sein, man darf würzen wie in der traditionellen Küche.
Und wie stelle ich sicher, dass die Ernährung ausgewogen ist?
Indem man die fünf Bausteine Obst, Gemüse, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte sowie Nüsse und Samen gekonnt kombiniert. Die möglichen Kombinationen sind dabei fast unbegrenzt. Nur schon bei den pflanzlichen Proteinen. Die ganzen Linsensorten, die es gibt, die Bohnens-orten, die Tofusorten, Tempeh, Seitan ...
Aber erhält der Körper dabei auch alle nötigen Nährstoffe und Vitamine?
Vitamin B12 ist eigentlich das einzige, was Veganer und Veganerinnen ergänzen. Für ein gastronomisches Angebot ist das aber nicht relevant. Auch kann der Körper tierisches Protein zwar besser aufnehmen als pflanzliches. Aber in Kombination mit Getreide geht das auch. Das muss nicht einmal im gleichen Gericht sein. Allgemein geht es nicht darum, alles immer auf einem Teller zu kombinieren. Aber die fünf Bausteine können die Basis für den kreativen Denkprozess sein.
Wo holen Sie sich selber Inspiration?
Einerseits von sehr traditionellen Gerichten, die ich dann versuche, zu veganisieren. Vor al-lem aber inspiriert mich die buddhistische Tempelküche, wo die vegane Ernährung schon seit zweitausend Jahren Tradition hat und entsprechend viel altes Wissen vorhanden ist. Dort ent-decke ich immer wieder Spannendes.
Auf welche Zutaten können Sie in Ihrer veganen Küche nicht verzichten?
Ich finde die saisonale Vielfalt von Gemüse unglaublich, auch die ganzen Knollengewächse, wenn es Herbst und Winter wird. Gemüse-Rettich, Pastinaken, Wirz! Zum Kochen ist gerös-tetes Sesamöl und Tamari-Sauce unerlässlich in meiner Küche, Ume-Su-Essig, Zitronengras und Kaffirlimettenblätter habe ich sehr gerne, und Knoblauch, Zwiebeln sowie Ingwer zu glei-chen drei Anteilen dürfen bei mir nie fehlen ...
Und auf welches tierische Produkt würden Sie in der Küche manchmal gerne zurück-greifen?
Da gibt es eigentlich nichts, was mir für meine Küche fehlen würde. Lange habe ich Jakobs-muscheln vermisst, auch zum Selberkochen. Aber das ist jetzt auch nicht mehr der Fall, weil es inzwischen auch im Bereich Plant-based-Seafood so tolle Sachen gibt.
Mehr Infos zu Lauren Wildbolz: laurenwildbolz.ch
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