Portrait

Moses Ceylan

«Gewürze machen ein Gericht lebendig»

Moses Ceylan gehört zu den erfolgreichsten Köchen in der Schweiz. 2019 wurde er von Gault Millau zu einem der Aufsteiger des Jahres gekürt. Nun beschreitet der Sternekoch als Coach, Privat- und Gastkoch neue Wege. Und macht sich auf die Suche nach seinen Wurzeln.

 

Von den Besten gelernt


Moses Ceylans Kochkarriere ist beeindruckend, sein Handwerk lernte er von den Besten. In Deutschland arbeitete er in den Sterneküchen von Christian Jürgens, Joachim Wissler, Sven Elverfeld und Juan Amador, in dessen Restaurant Amador er erstmals als Küchenchef tätig war. «Eine prägende Zeit, in der ich handwerklich aber auch menschlich viel gelernt habe», blickt Moses Ceylan zurück. 2015 kam er in die Schweiz, wurde zusammen mit Sebastian Zier Küchenchef im Restaurant  Einstein Gourmet in St. Gallen, mit 18 Gault-Millau-Punkten und zwei Michelin-Sternen. Die beiden Spitzenköche verschmolzen die klassische Spitzenküche mit der orientalischen Küche. Moses Ceylan selber hat aramäische Wurzeln, seine Eltern beziehungsweise Grosseltern kamen aus der Türkei nach Deutschland. Eine persönliche Note, die Moses Ceylan in seine Kochkunst einfliessen lässt. «Wie ein Dolmetscher zwischen verschiedenen Kulturen beziehungsweise Küchen», so der 42-Jährige.

 

Zurück zu den Wurzeln

 

Vor zwei Jahren aber war Schluss. Moses Ceylan wollte sich auf eine «Reise zurück zu den Wurzeln» begeben. «Ich merkte, dass ich das südländische Lebensgefühl immer mehr verliere. Das wollte ich wieder auffrischen.» Auch für seine Küche – «denn Gefühl ist das Wichtigste überhaupt beim Kochen». Aus dem Reisen wurde wegen Corona jedoch vorerst nichts. Stattdessen hat Moses Ceylan viel zuhause gekocht, sich durch Familienrezepte gearbeitet. «In meiner Kindheit hatten wir nie viel. Aber gut gegessen haben wir immer. Auch weil meine Mutter und meine Grossmutter mit viel Liebe und Gefühl für ihre Heimat gekocht haben.» Diese Küche möchte er zukünftig noch intensiver in seine Gerichte einfliessen lassen. «Orientalische Aromen wecken Erinnerungen an meine Kindheit.
Emotionen, die ich mit meinen Gästen teilen möchte. Kombiniert mit regionalen Produkten
und hiesigem Handwerk. Ein Verschmelzen meiner beiden Heimaten.»

 

Moses Ceylan, Sie bezeichnen Ihre Küche als orientalisch-okzidental. Was heisst das?
Zum einen bin ich in Deutschland aufgewachsen, habe hier das Kochhandwerk gelernt und arbeite gerne mit regionalen Produkten. Zum anderen habe ich von zuhause und von meiner Kultur die Levante-Küche, genauer gesagt die aramäische, türkische und libanesische Küche mitbekommen. Konkret verbinde ich das, in dem ich zum Beispiel eine Tessiner Forelle mit orientalischen Aromen zubereite (siehe Rezept).

 

Was sind denn typische orientalische Aromen?
Was nicht fehlen darf sind Zatar, Sumak, Kreuzkümmel, Safran, Koriander, Zimt … auch das Fermentieren gehört zu unserer Küche. Eine unvergleichliche Aromenvielfalt, die mich an meine Kindheit erinnert. Wie bei vielen kocht auch für mich meine Mutter am besten. Auch weil sie mit einfachen Produkten und viel Gefühl kocht. Das macht die Gerichte so besonders. Und Gewürze, Aromen sind für mich genau das, ein Ausdruck von Authentizität und Emotionen. 

 

Welche Rolle spielen Gewürze in Ihrer Küche?
Eigentlich soll ein Gewürz das Grundprodukt nur unterstreichen. Aber genau das braucht sehr viel Fingerspitzengefühl, das ist eine hohe Geschmacksschule. Weder zu viel ist gut, aber auch nicht zu wenig. Denn schlussendlich machen Gewürze ein Gericht auch erst richtig authentisch und lebendig, eben durch diese Gefühle und Emotionen, die man einbringt. Darum ist es mir auch so wichtig, mich wieder vertiefter mit meiner aramäischen Kultur zu beschäftigen, um ein Gefühl dafür zu erhalten, das ich dann wiederum meinen Gästen weitergeben kann.

 

Dies war mit ein Grund, wieso Sie im Restaurant Einstein Gourmet aufgehört haben. Was haben Sie nun für Pläne?
Seither war das Reisen ja eher schwierig, das möchte ich jetzt Schritt für Schritt nachholen und in Sprache, Kultur und Küche in der Türkei, im Libanon und in Syrien eintauchen. Parallel dazu mache ich Coachings für Küchenteams und Unternehmen. Stimmen die Abläufe, wie ist der Teamspirit, wo gibt es Verbesserungspotential usw. Ausserdem geniesse ich es zurzeit, mich als Gastkoch in verschiedene Restaurants einzubringen, und biete quasi als Privatkoch eine kulinarische Reise in den Orient oder Sterneküche für zuhause an.

 

Und ein eigenes Restaurant?
Das wäre durchaus ein Ziel: Ein orientalisch angehauchtes Restaurant mit Gerichten für Leib und Seele, mit Herz und Geschmack. Da bin ich jedoch noch auf der Suche nach Gastronomen und Unternehmern, die Interesse haben, mit mir zusammen ein solches Konzept umzusetzen. Da braucht es sehr viel Mut, von allen Seiten. Aber der Weg ist das Ziel.

 

Mit Sterne-Ambitionen?
Ich wollte immer drei Sterne erreichen, habe aber gemerkt, dass gut kochen alleine dafür nicht genügt. Es muss authentisch sein. Und es ist keine One-Man-Show. Wenn nun jemand kommen würde, der findet, er unterstütze mich dabei ... wieso nicht? Bis dahin geniesse ich es einfach, Koch zu sein, Spass zu haben, Inspiration zu sammeln. Und andere Unternehmer mit meiner Erfahrung zu unterstützen.

 

Funktioniert die Sterne-Küche heute langfristig nur noch mit Investoren?
Es gibt durchaus Konzepte, die aufgehen. Der Aufwand für eine Zwei- oder Drei-Sterne-Küche ist aber schon immens. Entsprechend ist es auch ein bisschen verrückt: Wer macht schon ein Geschäft und weiss, dass am Ende wahrscheinlich ein Minus rauskommt? Aber Essen ist Kultur und ist es wert, unterstützt zu werden. Sei es durch einen Investor oder über ein Begleitgeschäft, zum Beispiel mit einem Bistro, Catering, einem Hotel.

 

Hat sich das verändert die letzten Jahre?
Früher waren unzählige Arbeitsstunden zu vergleichsweise schlechter Bezahlung in den Küchen verbreitet. Heute findet zum Glück ein Umdenken statt. Die Gastronomie muss sich weiterentwickeln, um für neue Mitarbeitende wieder attraktiv zu werden. Dazu gehören faire Löhne und Arbeitszeiten. Das kostet natürlich. Wobei auch der Gast bereit sein muss, mehr für Qualität und Dienstleistung zu zahlen. Gleichzeitig ist auch ein neuer Führungsstil gefragt. Wir sind ein Team in Küche und Service, sind auf jeden Einzelnen angewiesen. Entsprechend sollten wir alle wertschätzen, mit einbeziehen und mehr Freiheiten lassen. Das merkt man dem Resultat an! Weil es eben nicht mehr einfach ein Erledigen der Arbeit ist, sondern mit gegenseitigem Respekt gearbeitet und mit Leidenschaft gekocht wird. Womit wir wieder beim Gefühl sind, durch das die Gerichte erst lebendig werden.

 

Ist das ein Grund, wieso Sie Coachings anbieten?
Ich bin froh, dass ich mir diesen modernen Führungsstil von Sebastian Zier im Restaurant Einstein Gourmet in St. Gallen angeeignet habe. Das gebe ich gerne auch weiter. Klar braucht es klare Kommandos, aber es braucht eben auch Spass und Leidenschaft in der Küche. Für die Gerichte, aber auch um die Leute im Beruf zu halten. Sonst ist unser Handwerk gefährdet. Und damit auch ein Stück Kultur.
 

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